Begeisterung für Medizin-Nobelpreis
Der Nobelpreis für Medizin ging 2021 zur Hälfte an Dr. David Julius, Professor am Lehrstuhl Physiologie an der University of California in San Francisco (UCSF). Der Wissenschaftler erhielt den Preis für seine Forschung an sogenannten TRP-Ionenkanälen. Die Auszeichnung rief (auch) bei einigen unserer Kollegen Begeisterung hervor. Fragen dazu an Dr. Dirk Sombroek, Unit Head, BioActives & Performance Biologicals bei BRAIN Biotech.
Dirk, warum hat dich diese Nobelpreis-Vergabe besonders gefreut?
Dirk Sombroek: Zunächst einmal möchte ich beiden Preisträgern – David Julius und Ardem Patapoutian – zu ihren großartigen Forschungsarbeiten und der verdienten Auszeichnung mit dem Nobelpreis gratulieren. Beide haben eindrucksvoll gezeigt, wie relevant die Forschung auf dem Gebiet der Ionenkanäle ist. Ganz besonders hat mich die Ehrung von David Julius gefreut, weil wir bei BRAIN die gewürdigten Rezeptoren, die „Transient Receptor Potential“ oder kurz TRP-Ionenkanäle, seit über zehn Jahren erfolgreich in unserer angewandten Forschung nutzen: Die Messung der Modulation von TRP-Ionenkanälen bildet die Basis für viele unserer zellbasierten Assays! An diesen testen wir für unsere Kunden in der Industrie in Screening-Kampagnen große Substanzbibliotheken – beispielsweise Naturstoffe unserer Tochterfirma AnalytiCon Discovery.
Was folgt auf ein solches Screening?
Neu identifizierte, vielversprechende Kandidaten werden hinsichtlich ihrer Wirkeigenschaften charakterisiert. Nach eingehender Begutachtung und gegebenenfalls toxikologischer Evaluierung können wir ausgewählte Substanzen anschließend in der Anwendung in initialen „Proof-of-Concept“-Studien für die Kunden validieren. Dieser Ansatz ermöglicht unseren Industriepartnern die Entwicklung neuer Wirkstoffe für verschiedenste Anwendungsfelder.
Worin liegt der Nutzen der TRP-basierten Assays für die Kunden?
Kunden aus der Industrie suchen natürliche, bioaktive Inhaltsstoffe für Lebensmittel, Futtermittel oder Kosmetika. Wir finden diese für sie in unseren Substanz-Bibliotheken. Kunden profitieren nicht nur von unseren langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Ionenkanäle; sie profitieren auch von unseren gebrauchsfertigen Ready-to-use-Testsystemen sowie von den proprietären Screening-Bibliotheken der BRAIN-Gruppe. Darin befinden sich z.B. Nagoya-konforme Naturstoffe oder Extrakte bzw. Fraktionen aus essbaren Pflanzen.
Gibt es typische Anwendungsfelder? Und kannst du ein konkretes Beispiel nennen?
Aufgrund der vielfältigen Funktionen der TRP-Ionenkanäle sind die Anwendungsfelder divers. Gefragt sind besonders neue Geschmacksstoffe und/ oder Geschmacksmodulatoren für die Lebensmittelindustrie, Nahrungsergänzungsmittel, neue Wirkstoffe für die Kosmetikindustrie, Cooling-Compounds für die Mundpflege und vieles mehr.
Gemeinsam mit dem Unternehmen Symrise aus Holzminden ist es uns gelungen, einen Inhibitor des Rezeptors TRPV1 zu identifizieren. Da der Nobelpreis u.a. für die Charakterisierung genau dieses Rezeptors vergeben wurde, lässt sich unsere Begeisterung für diese Ehrung sicher nachvollziehen. Der identifizierte TRPV1-Inhibitor kann zur Beruhigung empfindlicher Haut eingesetzt werden. Aktuell ist dieser Wirkstoff beispielsweise in der „Ultra sensitive“-Serie von Eucerin (Beiersdorf) im Einsatz.
Wenn ihr bereits solche erfolgreichen Testsysteme entwickelt habt, warum forscht ihr an dem Thema weiter?
Die TRP-Ionenkanäle sind polymodale Sensoren, d.h. sie reagieren auf verschiedene Stimuli – physikalische sowie chemische, von Peptiden bis zu kleinen bioaktiven Molekülen. Damit haben sie natürlich auch vielfältige biologische Funktionen, nicht nur beim Menschen. Und das macht sie weiterhin zu einem spannenden Forschungsgegenstand.
Darüber hinaus sind die Testsysteme an sich für uns nur ein erster Schritt. Um die Forschungsergebnisse für unsere Partner nutzbar und am Ende für den Verbraucher erfahrbar zu machen – also in Produkte zu überführen – interessieren wir uns für neue Aktivstoffe oder Modulatoren der Ionenkanäle. Diese zu identifizieren, zu validieren und für eine kommerzielle Nutzung zugänglich zu machen ist ebenso Teil unserer angewandten Forschung, wie die Etablierung neuer Testsysteme, z.B. in Gewebetyp-spezifischen Zellen. Hier interessieren wir uns übrigens nicht nur für die TRPs, sondern auch für andere Ionenkanäle.
Danke, Dirk!